Tobias*, HAE-Patient nach Zahn-OP

Bei diesem Patienten war die Erkrankung bekannt, der Patient versäumte es jedoch, den Zahnarzt vor der Zahn-OP entsprechend zu informieren. Die Folgen waren ein Larynxödem und eine Gesichtsschwellung nach der Zahnextraktion.

Der Beginn der Erkrankung

Seit seinem 21. Lebensjahr leidet der Patient an rezidivierenden Bauchattacken, die ca. 7 – 8 Mal pro Jahr auftraten. Im Alter von
28 Jahren kamen rezidivierende Haut-
schwellungen hinzu, die sich ca. einmal jährlich zeigten. Sie waren bisher nur im Gesicht, am linken Fuß und am Genitale aufgetreten. Larynxödeme wurden bislang noch nicht berichtet. Die Familienanamnese war für HAE unauffällig. 

Der Patient erhielt dann im Alter von 30 Jahren die Diagnose Hereditäres Angioödem (HAE) Typ 1, informiert seinen Zahnarzt jedoch nicht über seine Erkrankung. Fünf Stunden nach der Extraktion eines Backenzahns bemerkt der mittlerweile 31-jährige Patient Gesichtsschwellungen. Drei Stunden später kommen Schluckbeschwerden hinzu, nach weiteren fünf Stunden Atemnot. Zudem zeigt sich eine deutlich tiefere Stimme. 

Befunde und Diagnosen

  • Labor: C1-INH-Aktivität < 1 % (Norm: 70–130 %), C1-INH-Konzentration < 0,048 g/l (Norm: 0,17–0,44 g/l) Komplementfaktor C4 < 0,048 g/l (Norm: 0,1–0,4 g/l)
  • Kein Hinweis auf eine allergische Erkrankung
  • Keine weiteren Erkrankungen
  • Diagnose: Hereditäres Angioödem Typ 1

Der Patient führt zu Hause eine Selbstinjektion mit 1.000 IE Berinert® durch. Daraufhin zeigt sich eine erste Besserung der Symptome nach 45 Minuten. Die komplette Remission der Schwellungen erfolgt nach insgesamt 24 Stunden. Es ist kein Klinikaufenthalt oder ein sonstiger ärztlicher Eingriff erforderlich.

Aufpassen bei Larynxödem

Grundsätzlich kann sich ein Larynxödem bei Patienten mit HAE ohne vorherige Anzeichen entwickeln. Frühzeichen können Schluckbeschwerden, eine belegte Stimme, ein Kloßgefühl oder auch ein Fremdkörpergefühl im Hals sein. Im fortschreitenden Verlauf kommt es zu weiteren Stimmveränderungen und schließlich zu Atemnot. Bei Schwellungen im Gesichtsbereich ist grundsätzlich Vorsicht geboten, weil in bis zu 30 % der Fälle danach ein Larynxödem auftreten kann (Bork et al. 2006) (Farkas 2010). Ein Larynxödem ist von außen oder bei der Mundhöhleninspektion oft nicht sichtbar. Zahnmedizinische Eingriffe gehören zu den bekannten Triggerfaktoren bei Patienten mit HAE.

Es wurden tödlich verlaufende Attacken nach diesen Eingriffen durch Larynxödeme beschrieben (Bork et al. 2011) (Bork et al. 2003). Eine Studie zeigte, dass das Risiko einer Angioödem-Attacke nach Zahnextraktion durch eine Kurzzeitprophylaxe mit C1-INH-Konzentrat um 41,9 % gesenkt werden kann (Bork et al. 2011).

Gesichtsschwellungen oder Larynxödeme oder beides zeigten sich bei 21,5 % der Zahnextraktionen ohne Prophylaxe und bei 12,5 % mit Kurzzeitprophylaxe (Bork et al. 2011).

Im vorliegenden Fall war die Erkrankung bekannt, der Patient versäumte es jedoch, den Zahnarzt entsprechend zu informieren. Der Patient war in der Heimselbstbehandlung geschult und konnte sich Berinert® selbst injizieren. Der bei einem Larynxödem eigentlich unbedingt notwendige Klinikaufenthalt war hier nicht mehr erforderlich. Siehe auch deutsche AWMF-Leitlinien (Bork et al. 2019).

 

Mit freundlicher Genehmigung von:
Univ.-Prof. Dr. Konrad Bork
Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz

 

*aus datenschutzrechtlichen Gründen wurden Name und Bild des Patienten ausgetauscht

Christina

Ingrid

Lisa